Sozio-historischer Hintergrund

Versuchen sie sich in die Lebensumstände unserer Vorfahren zu versetzten.
In das Dorf vor einhundert oder zweihundert Jahren
in die alltägliche Lebenswelt
in die Verkehrsbedimgungen
in die medizinischen Möglichkeiten

Die folgenden Beschreibungen sind eine Hilfestellung bei dieser Reise

Die räumlichen Bedingungen

Zu Ende des 19. Jahrhunderts bestand Lammersdorf im wesentlichen aus dem Kernort. Kämpchen, Waldsiedlung und Junkersiedlung existiert noch nicht. Im Umfeld der Kirche prägten stattliche Winkelhäuser das Ortsbild, während im Außenbereich, vor allem zum Venn hin und in der Heppenlag, Kümmerformen und einfachste Hütten eine Streusiedlung bildeten.

Vorwiegend Winkelhäuser


Kümmerformen


Die Wohnverhältnisse, vor allem bei kinderreichen Familien, waren sehr beengt. Die Häuser waren vielfach ungesund, da feucht

Das Alltagsleben

Eine öffentliche Wasserversorgung wurde in Lammersdorf ab 1910 installiert und elektrischen Strom gab es seit etwa 1920. Die Mütter wickelten ihre Kinder zur damaligen Zeit im Licht einer Petroleumlampe und wuschen sie mit Brunnenwasser. Statt Pampers gab es Sanitastücher zum fortwährenden Gebrauch. Maschinen, wie Kühlschrank Staubsauger, Waschmaschine,etc., zur Erleichterung der Hausarbeit gab es nicht. Der hygienische Komfort war bescheiden. Im Stall gab es im Übergang zum Wohnbereich eine erhöhte Stelle, die Povei.


Wohnfläche für ca 8 bis 10 Personen ca 150 m2.

Dort wurde samstags eine Wanne aufgestellt, in der gebadet wurde, meiste mehrere Kinder in einem Waschgang. Dort wurde auch die Wäsche gewaschen - ohne Maschinen.

Bildquelle:http://www.karin-bach.de


Wasserklosetts gab es erst in Neubauten ab der ersten Hälfte des 20.Jh. Bis dahin mußte man ein Häuschen mit Herztür, gebaut außerhalb des Hauses, nahe der Jauchegruppe benutzen. Da das im Winter und bei Dunkelheit nicht ging, hatte man Nachtgeschirre, Töpfe und mit mehr Komfort einen Toilettenstuhl mit eingebauter Schüssel.
Den Gang in den Supermarkt, wo man sich die benötigte Menge Konserven, Obst, Kartoffeln holte, kannte man nicht. Kartoffeln wurden in großen Mengen angebaut und eingekellert, Gemüse und Fleisch wurde eingekocht, Obst getrocknet.
Die meisten Lebensmittel wurde im eigenen Garten und auf dem eigenen Feld selbst erzeugt. Die schwere Feldarbeit war Männersache. Dazu gehörte Pflügen, Mähen, Säen, Dreschen, Winterholz und Torf besorgen u.v.a.
Der Alltag der Frauen war nicht weniger mühsam. Egal ob schwanger oder nicht, es mußte neben der Hausarbeit die Gartenarbeit in meist großen Gärten erledigt werden. Erntearbeit - das Einbringen der Kartoffelernte, der Roggenernte, des Heus - war eine Gemeinschaftsarbeit der Familien.


Nach einem arbeitsreichen Tag versammelte man sich in der Stuev. Das Licht der Petroleumlampe machte den Raum klein. Alte Geschichten, alte Sorgen, ein Abendgebet, dann ging man zu Bett.
Neben bäuerlichen Arbeiten betrieben Lammersdorfer im 18. und 19 Jh. Wollverarbeitung, Fuhrwesen und die Handwerke, die man im Ort benötigte.
So würde man am nächsten Tag durch den Hahnenschrei geweckt. Man würde wieder den hellen Hammerschlag aus der Schmiede des Nachbarn hören und auch das Sägen und Klopfen des Schreiners.

Die Verkehrssituation

Die Eröffnung der Vennbahn (1885) bedeutete für Lammersdorf Teilhabe an der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung im damals Preußischen Staat. Nun erschloß sich das Umland von der Kreisstadt Monschau bis nach Aachen und darüber hinaus. Vor der Inbetriebnahme der Vennbahn ging man von Ort zu Ort meist per pedes apostolorum oder man nutzte eine Kutsche/Jigg, wenn man sie denn hatte. Güter wurden zeitraubend mit Pferdefuhrwerken befördert.
Zwei Beispiele, die diese Situation erhellen. Das Fuhrwesen bezog auch den Fernverkehr mit ein. Das geht aus einer Bemerkung im hiesigen Sterberegister hervor, die beschreibt, dass ein Fuhrmann mit Namen Paustenbach auf einer Fahrt in der Nähe von Leipzig von Räubern getötet worden ist. 1872 infizierte sich der Fuhrmann Thomas Johnen, ein Urgroßvater des Verfassers, auf einer Fuhre nach Düren mit den Pocken, woran er schließlich starb.
Ein weiteres Beispiel beleuchtet die regionale Situation:
Nach 1815 setzten die Preußen die Schulpflicht der Kinder mit drastischen Maßnahmen durch. So wurden Mitte des 19.Jh. gegen Väter von Kindern, die häufig die Schule versäumten, stundenweise Haftstrafen verhängt, die in Monschau verbüßt werden mußten. Ein Vater, der eine Stunde Haft abzusitzen hatte, ging von Lammersdorf nach Monschau hin und zurück ca 4 Stunden. Mit der Haftzeit war dann meist ein halber oder ein ganzer Arbeitstag vorbei.




Die medizinischen Verhältnisse

„Am dritten Tage lag Elke im hellen Kindbettfieber, redete Irrsal und kannte weder ihren Mann noch ihre alte Helferin. …'Wasser! Wasser!‘, wimmerte die Kranke….‚Halt mich!‘, schrie sie…“1
Um die Mitte des 19.Jh. war die Ursache des Kindbettfiebers weitgehend unbekannt. Hebammen mit ihrem reichhaltigen Wissen achteten auf peinliche Sauberkeit und dennoch trat die Krankheit gar nicht selten auf. In einer Lammersdorfer Sterbenotiz von 1851 heißt es, dass eine Frau , 31 Jahre alt, trotz der Bemühungen der Ärzte während einer Operation verstorben sei. Als Todesursache wurde Kindbettfieber angegeben und dass das Kind der Frau schon im Mutterleib gestorben sei.2
Eine Operation in damaliger Zeit war das letzte Mittel der Wahl. Wirksame Narkosemittel gab es nicht. Die Äthernarkose wurde 1846 in den USA entdeckt und es dauerte einige Zeit, bis diese Methode in der Provinz angewandt wurde. Die klassischen Schmerzbekämpfung geschah durch Alkohol, Opium, Eisbeutel und andere kaum wirksame Mittel.
Um Hilfe zu erlangen mußte man sich zum Chirurgen, nach Simmerath oder zum Arzt nach Monschau begeben und der Chirurg oder Arzt mußte meist mit der Kutsche zu dem Kranken kommen. Das alles vor dem Hintergrund einer zumeist eher armen Bevölkerung.
So blieb den Kranken häufig nur, sich in ihr Schicksal zu fügen und es als gottgewollt zu ertragen. Folgende Bemerkung über einen Verstorbenen im hiesigen Sterberegister beleuchtet die Situation: „Er wurde durch die Sakramente gestärkt und starb an Wassersucht und zugleich entstand vom Bauch her eine eigenartige Krankheit, so starb er im Alter von 84 Jahren an einer gräßlichen Krankheit.“

Neben dem Kindbettfieber war hier vor allem die Schwindsucht oder Tuberkulose, die bis zu Beginn des 20.Jh. eine der häufigsten Todesursachen war. Die Symptome waren mehr oder weniger rasanter Gewichtsverlust, Husten Blutspucken, Siechtum, u.a. 3 Teure Sanatoriumsaufenthalte auf einem Zauberberg konnte sich die hiesige Bevölkerung nicht leisten und Antibiotika gab es noch nicht.
Noch nach dem 2.Wk wurden Kinder aus Lammersdorf in Sanatorien verschickt, in denen Liegekuren, eine klassische Methode in der Behandlung der Tuberkulose angewandt wurde.

1) Theodor Storm; Der Schimmelreiter
2) Erst Ende des 19.Jh. hatte sich die Entdeckung Ignaz Semmelweis durchgesetzt, dass es sich um eine Infektionskrankheit handelt und sorgfältige hygienischen Bemühungen z.B das Reinigen der Hände mit Chlorkalk unabdingbar war.
3) Robert Koch entdeckte um 1880, dass es sich auch bei dieser häufig tödlichen Krankheit um eine Infektionskrankheit handelt.

Worüber sprach man damals?



Auskunft darüber gibt der "Stadt - und Landbote", eine lokale Zeitung, die von 1849 bis 1936 in Monschau erschien.



Eine Anzeige aus 1850 verspricht Heilung und Linderung bei Zahnproblemen.



Ein Aufruf aus dem Jahre 1870 betont die Notwendigkeit des Eisenbahnbaus zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung.
Realisiert wurde das Vorhaben erst in den 1880ziger Jahren, wodurch manchem Einwohner der tangierten Gemeinden ein berufliches Auskommen ermöglicht wurde.



Sie finden Kopien des "Stadt - und Landboten" unter folgendem Link:

http://www.zvdd.de/dms/browse-sammlungen/?tx_goobit3_search%5Bextquery%5D=iswork%3A1&tx_goobit3_search%5Borderfield%5D=yearpublish&tx_goobit3_search%5Border%5D=0&tx_goobit3_search%5Bdc%5D=monschau. contentdm.ub.uni.koeln.de&tx_goobit3_search%5Bdefault%5D=default&tx_goobit3_search%5Blink%5D=0


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